Was ist aus dem Projekt Desertec geworden? 1

photovoltaik-wueste-beinhoff

Mitte 2009 wurden die Teilnehmer einer Pressekonferenz in der bayrischen Landeshauptstadt München in Aufregung versetzt. Der Grund hierfür war die Meldung der Gründung einer „Desertec Industrial Initiative“ kurz DII. Ziel der neu gegründeten aber bereits lange geplanten Organisation war es, die Rahmenbedingungen für die freie Energieerzeugung in den Wüsten Nordafrikas zu schaffen.

Seit der Verkündung der scheinbar revolutionären Idee sind fast sieben Jahre vergangen. Seitdem wurde das Projekt weiterentwickelt, für tot erklärt und zu neuem Leben entdeckt. Ich erkläre im folgenden Ratgeber, was es mit Desertec auf sich hat und welche Auswirkungen es für den Strommarkt bis heute hatte.

Ziel und Konzept von Desertec

Das Projekt Desertec selbst ist weder eine Organisation noch ein Unternehmen. Es ist ein Plan, Ökostrom an den energiereichsten Standorten der Welt zu produzieren und anschließend in große Verbrauchsregionen zu transportieren. Das Konzept klingt simpel und ist erfolgsversprechend: in vielen energiereichen Regionen wie etwa der nordafrikanischen Wüste leben kaum Menschen. Gleichzeitig ist es in der Sahara sehr heiß, so dass Solarzellen theoretisch ein hohes Maß an Sonnenenergie erzeugen können. Die gewonnene Energie wird aber selbstverständlich nicht in der Sahara, sondern beispielsweise Europa oder dem äußersten Norden Afrikas benötigt. Durch Forschung, Entwicklung und Produktion von Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungen soll dieses Problem gelöst werden.

Meilensteine bei der Entwicklung von Desertec:

  • Im Jahr 2003 wird die Trans-Mediterranean Renewable Energy Cooperation (TREC) gegründet. Diese entwickelt zusammen mit internationalen Politikern, Wissenschaftlern und Ökonomen das Konzept für Desertec.
  • Zwischen 2004 und 2007 werden Studien zu Desertec durchgeführt. Diese belegen, dass das Projekt rund 17 % des prognostizierten EU-Strombedarfs decken kann. Die Studien untermauern zudem die technische und wirtschaftliche Realisierbarkeit des Konzepts.
  • Im Jahr 2009 erfolgt die Gründung der DII. Diese hat zum Ziel, die aus den Studien gewonnen Erkenntnisse zu vertiefen und sicherzustellen, dass die Rentabilität und Realisierbarkeit der Versorgung tatsächlich geben ist.
  • Ab 2010 werden erste Projekte angestoßen, um Desertec in die Tat umzusetzen. Zunächst wird dabei ein Referenzprojekt in Marokko realisiert.
  • 2014 wird die DII verkleinert, weil sie ihre Ziele als erfüllt ansieht.
  • Ab 2020 soll erster Strom aus den Projekten rund um Desertec in die EU fließen. Der Großteil des Energieaufkommens verbleibt allerdings in den nordafrikanischen Staaten.

Mehr als 70 Projekte durchgeführt

Das Desertec-Projekt wurde in den vergangenen Jahren immer wieder kritisiert. Es verschlinge staatliches Geld und können aufgrund der Vielzahl der beteiligten Staaten nicht realisiert werden. Schließlich seien die politischen und wirtschaftlichen Differenzen zwischen den Teilnahmeländern aus Europa, Nordafrika und dem Nahen Osten zu groß. Die Unruhen rund um den arabischen Frühling schienen den Kritikern recht zu geben.

Erst als im Juni 2011 schriftliche Verträge mit der marokkanischen Regierung zur Errichtung eines Referenzprojektes unterzeichnet wurden, verstummten die Kritiker. Der Bau eines Solarkraftwerks begann im Jahr 2013 und soll noch 2016 ans Netz gehen. Insgesamt ist geplant, dass die Anlagen jährlich 500 Megawatt Leistung auf einer Fläche von zwölf Quadratkilometern erzeugen. Die Kosten für den Aufbau betragen nach ersten Schätzungen rund 2 Milliarden Euro. Die Bemühungen von Desertec und den zuständigen Projektmanagern zeigen in drei weiteren Nationen bereits erste Erfolge:

  1. Ägypten
    Nahe des Kraftwerks El Kureimat in der ägyptischen Wüste entsteht aktuell ein weiteres Solarkraftwerk. Zwar wurde es nicht direkt im Rahmen von Desertec konzipiert, es profitiert jedoch von der allgemeinen Forschung und Entwicklung im Bereich der regenerativen Energien.
  2. Tunesien
    Im April 2011 konnte Desertec einen weiteren Schritt in Richtung Wüstenstromerzeugung machen. Zusammen mit der tunesischen Regierung wurde vereinbart, Machbarkeitsstudien für große Solar- und Windenergie-Projekte durchzuführen. Ein Pilotprojekt wurde dabei bereits identifiziert und liefert voraussichtlich noch im Jahr 2016 den ersten Strom.
  3. Algerien
    In Algerien finden sich hervorragende Voraussetzungen für erneuerbare Energien. Erste vertraglichen Regelungen zwischen der EU und dem algerischen staatlichen Elektrizitätskonzern gibt es bereits. Im Rahmen einer Kooperationserklärung suchen Spezialisten aktuell nach geeigneten Referenzstandorten in Algerien für ein mögliches erstes Projekt.

Die Zukunft von Desertec und der Einfluss auf Verbraucher

Das Projekt Desertec selbst wird aktuell also nicht mehr zentral und aktiv vorangetrieben. Der Grundstein für eine erfolgreiche Umsetzung der Stromgewinnung in Nordafrika und die zumindest teilweise Überführung nach Europa sind gelegt. Die Planungsgesellschaft DII ist daher aktuell und in Zukunft ausschließlich für Beratungsaufgaben zuständig. Das Unternehmen wird von RWE, ACWA Power (Saudi Arabien) und der State Grid Corporation (China) geführt. Die bisher gewonnenen Erkenntnisse aus der Realisierung erster Großprojekte sollen genutzt werden, um die Länder im arabischen und nordafrikanischen Raum weiter beim Ausbau regenerativer Energien zu unterstützen.

Ein Einfluss von Desertec auf private Haushalte ist aktuell noch nicht zu spüren. Schließlich erzeugen die erbauten Kraftwerke und Pilotprojekte noch keinen Strom. Wenn es nach den Visionen der Gründer der Initiative geht, soll Desertec aber einen entscheidenden Teil dazu beitragen, dass private Haushalte ab dem Jahr 2050 fast ausschließlich regenerative Energien nutzen.

One comment on “Was ist aus dem Projekt Desertec geworden?

  1. Pingback: Hilfe bei Stromanbieterwechsel

Leave a Reply